Irgendwie defekt?
- jpfuetzenreuter2
- 15. Juli
- 3 Min. Lesezeit
Der zehnte September 2024. Der Tag, an dem die Crosslauf Landesmeisterschaften der Polizei NRW in Ratingen ausgetragen wurden. In Ratingen, meiner Stadt. Heimspiel. Natürlich meldete ich mich für diesen Wettkampf an und wurde für die Teilnahme durch die Behörde abgeordnet. Eigentlich etwas durchweg positives. Einfach laufen, Spaß haben, alles geben und dafür auch noch einen Tag nicht arbeiten müssen. Optimal.
Doch irgendwie kam alles etwas anders. Ich wachte an dem Tag mit einem seltsamen Gefühl auf. Mit einem Gefühl, was ich so in der Art nicht kannte. Ich war unruhig, traurig irgendwie hilflos und innerlich leicht panisch. Ich konnte mir nicht erklären woran es lag aber ich fühlte mich wie aus dem nichts einfach komplett überfordert. Mit allem. Und besonders mit dem anstehenden Lauf. Ich konnte gar nicht genau sagen wieso aber ich fühlte mich dem Lauf nicht gewachsen und hätte mich am liebsten nur verkrochen. „Komm schon, Johanna. Das ist doch gar nichts. Die paar Kilometer durch den Wald laufen. Easy!“. Ich versuchte mir selbst Mut zu machen und entschied mich letztlich zu laufen.
Also lief ich und war, trotz meiner nicht so guten Verfassung an dem Tag, gar nicht so schlecht. Doch mein Ergebnis war mir vollkommen egal. Ich war einfach nur froh, dass es vorbei war. Ich setzte mich nach dem Lauf auf einen Stuhl auf einer Terrasse auf dem Veranstaltungsgelände und mir liefen die Tränen über das Gesicht. Ich konnte sie gar nicht zurückhalten. Ich zitterte und war plötzlich total panisch. Ich rief meinen Freund an, weil ich dringend eine vertraute Stimme hören musste. Er konnte mir in meiner Situation nicht wirklich helfen aber sprach mir gut zu. Ich solle tief durchatmen und langsam nach Hause fahren. Das tat ich dann auch.
Zu Hause angekommen brach ich vollkommen zusammen. Ich weinte bitterlich und konnte mich den ganzen restlichen Tag kaum beruhigen. Ich fühlte mich hilflos und überfordert mit einfach allem. Eine Panikattacke? Nervenzusammenbruch? Keine Ahnung! Ich hatte das Gefühl meinem ganzen Leben plötzlich nicht mehr gewachsen zu sein, obwohl doch eigentlich alles gut war. Oder nicht ? Es kam mir vor, als sei in mir plötzlich irgendwas kaputt. Irgendwie defekt. Einen derartigen Zusammenbruch erlitt ich an diesem Tag zum ersten Mal. Dieses Gefühl des Kontrollverlustes machte mir Angst, denn es gab doch eigentlich keinen ersichtlichen Grund. In der Vergangenheit hatte es schon immer mal Phasen gegeben, in denen ich etwas traurig war und mich kraftlos fühlte. In denen ich aufgrund der Essstörung und der Unzufriedenheit mit mir verzweifelte. Doch ich schaffte es immer irgendwie wieder neuen Mut und Motivation zu entwickeln und im Hamsterrad weiter zu rennen.
Ich schlief in der Nacht nach dem Crosslauf kaum und wachte am nächsten Morgen wieder mit diesem Gefühl der absoluten Überforderung auf. Ich fühlte mich total erschöpft. Nicht körperlich, sondern so, als hätte mir jemand den Stecker gezogen. Als sei der Akku einfach leer. Psychisch irgendwie ausgelaugt. Ich fühlte mich traurig und hilflos und hatte große Mühe mich auf dem Weg zur Arbeit auf das Autofahren zu konzentrieren.
Ich verkroch mich in meinem Büro aber war absolut nicht im Stande produktiv zu sein. Eine Kollegin bemerkte meinen Zustand und empfahl mir, mich an eine Psychologin zu wenden, die bei der Polizei arbeitete. Ich überlegte erst, ob das wirklich notwendig sei, schrieb dann aber doch eine E-Mail mit Bitte um Rückruf. Dieser kam und ich vereinbarte einen ersten Gesprächstermin für den nächsten Tag.
Die Psychologin gab mir sofort das Gefühl mich öffnen zu können und so erzählte ich ihr alles. Einfach alles. Von der Essstörung, der Sportsucht, dem Hamsterrad und dem Zusammenbruch und diesen seltsamen Gefühlen die nicht mehr wegzugehen schienen. Der Traurigkeit, der inneren Panik, der Überforderung und der Freudlosigkeit die immer präsenter wurde. Ich erzählte ihr auch von dem Druck den ich verspürte, bei der Arbeit nicht fehlen zu dürfen. Die Psychologin war entsetzt denn sie hielt mich in meinem Zustand eigentlich nicht für arbeitsfähig. Sie legte mir nahe, mich umgehend um einen Therapieplatz für eine ambulante Psychotherapie zu bemühen. Sie selbst konnte mir das nicht anbieten aber ich kam noch regelmäßig zu ihr zu Beratungsgesprächen. Diese taten immer sehr gut und ich bin der Psychologin bis heute unheimlich dankbar für ihre Hilfe.
Mein psychischer Zustand verschlechtere sich im Oktober und November weiter. Immer häufiger schleppte ich mich nach schlaflosen Nächten voller Tränen und Grübeleien übermüdet und mit innerer Unruhe sowie dem Gefühl der absoluten Überforderung ins Büro. Ich funktionierte irgendwie noch gerade so. Auch das Hamsterrad mit dem exzessiven Sport und den wiederkehrenden Ess-Brech-Anfällen drehte sich fleißig weiter und raubte mir die Kraft die ich eigentlich schon gar nicht mehr hatte. Aber ich fand keinen Ausweg. Ich konnte einfach nicht mehr.
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